Alles für den magischen Moment

In der Wachsmuthstraße betreibt Andre Rauch seit 15 Jahren das „entspannteste Tonstudio Leipzigs“, wie er es nennt. Ein Hausbesuch bei Neue Welt Recordings – Ort und Hort für kleine magische Musikmomente. Dieser Beitrag erschien im Bürgermagazin Leipziger Leben, 03/2017
Musik tönt aus den Boxen. 70er-JahreRock mit Jazzeinflüssen, die Testaufnahmen der Jammin’ Monkeys vom Vorabend. Toningenieur Andre Rauch und die Musiker Maria, Bilgin, Giorgos und Jota hören konzentriert zu. Andre Rauch stoppt die Aufnahme und schaut zu Bilgin. „Wie findest du den Kompressor auf deiner Gitarre? Hat so bisschen Santana-Style.“ Bilgin hebt den Daumen. „Finde ich gut. Aber dieser zweite Take war Mist. Der erste war besser.“ Alle nicken. Noch ein paar Absprachen zu Harmonien und Melodieführung, und dann verschwinden die Monkeys im angrenzenden Studioraum, wo ihre Instrumente warten. Man hört noch ein „One, two, three, four!“, dann lassen es die vier Musiker krachen.
Murmeln auf der Gitarre und Becken an der Wäscheleine
Die Gitarre seines Vaters ist schuld, dass Andre Rauch in Leipzig sein Tonstudio betreibt. Auf ihren Saiten ließ er als kleiner Steppke seine Stahlmurmeln entlangrollen und war von den Sounds, die dabei entstanden, fasziniert. Vom Jugendweihe-Geld kaufte er sich seine erste E-Gitarre, dann kamen die erste Band und bald auch erste Erfahrungen mit
selbstgemachten Tonaufnahmen. Über ein Röhrenradio spielte die Gruppe ihre Songs live ein, die Becken des Schlagzeugs hingen an einer Wäscheleine und mit dem Walkman inklusive Aufnahmefunktion („Das war damals im Osten das Größte überhaupt!“) mischten sie zusätzliche Takes hinzu. Einfach mal machen, war die Devise. Heute würde man sagen: Do it yourself.

Sein Traum wächst in Leipzig
„Mit Mitte Zwanzig stellte ich mir dann die Frage: Was willst du eigentlich im Leben?“, erzählt Andre Rauch. „Mir war klar: Ich will ein Tonstudio.“ Nach einer Ausbildung
als Toningenieur und Jobs beim Freien Radio und der Landeswelle in Erfurt startete er seinen Traum in Leipzig: Im Jahr 2006 baute er mit einem Freund einen 120 Quadratmeter großen Raum in der Wachsmuthstraße um und nahm alles selbst in die Hand – vom Bau der schallisolierten Aufnahme- und Regieräume bis zur Verkabelung.
Die Geburtsstunde von Neue Welt Recordings, Ort und Hort für kleine magische Musikmomente. „Musiker bekommen hier einen geschützten Raum und spüren, dass ich sie ernst nehme. Sie entspannen sich und beginnen, mir zu vertrauen. Nur so kann gute Musik entstehen.“ Doch die Erfüllung seines Traums, Musik zum Beruf zu machen, hat auch ihre Schattenseiten. Der 48-Jährige hört Musik anders als die meisten anderen Menschen. „Ich analysiere Musik. Immer und überall. Man zerpflückt jedes Stück, schaut sich den Songaufbau an und will heraushören, ob da ein Fender Precision Bass oder ein Fender Jazz Bass eingesetzt wurde. Davon kann ich mich nicht mehr lösen.“

Glücksmomente einfangen
Welche Künstler würde er besonders gerne einmal aufnehmen? Der Toningenieur denkt kurz nach. „Jeff Beck. Motorpsycho. No means no. Aber auch viele kleine Bands, die während eines Gigs einen besonders glücklichen Moment haben. Dann stehe ich im Publikum und denke: Wow, das hätte ich jetzt gerne eingefangen.“ Und die Gitarre des Vaters? Die gibt es immer noch. Sie lehnt an der Seite des Mischpults und hört zu, wie die Jammin’ Monkeys den ersten Track im Kasten haben. Weiter geht’s: Aus den Mikros
gellt ein neues „One, two, three, four …“ – und ab dafür.

Instrumente für Daressalam
Um sozial benachteiligten Kindern in Tansania einen neuen Lebensinhalt zu geben, sammelt Andre Rauch Musikinstrumente und Equipment. Mit Freunden organisiert er deren Transport in das afrikanische Land, wo Musikräume entstehen werden. „Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit bekommen, etwas Vernünftiges zu machen: nämlich Musik, Tanzen, Freude am Leben bekommen.“ Instrumente, Boxen oder Ähnliches abzugeben? Mehr Informationen zur Aktion von Andre Rauch auf: neuewelt-rec.de