Wie sich die Energieerzeugung seit der Wende doch gewandelt hat – und mit ihr die Arbeitswelt im Kraftwerk. Ein Blick hinter die Kulissen.

Der heutige Kraftwerksleiter Manfred Zacharias im Jahr 1990.

Seit 1996 versorgt die Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) der Leipziger Stadtwerke die Stadt mit Strom und Wärme. Der heutige Kraftwerksleiter Manfred Zacharias begann seine Stadtwerke Karriere bereits neun Jahre früher mit einer Lehre zum Maschinisten für Wärmekraftwerksanlagen. Er erinnert sich noch gut an das Jahr 1990. Damals war der frischgebackene Maschinist für die tägliche Kontrolle und Wartung der Dampfturbinen verantwortlich. Bis zur Wende wurde für deren Erzeugung von Strom und Wärme noch Kohle verheizt. Doch kurz nach ihrer Gründung im Jahr 1992 beschlossen die Leipziger Stadtwerke, die Energieversorgung der Stadt so schnell wie möglich umzustellen – auf Erdgas. Denn zum einen bedeutete die Kohleverstromung in Leipzig eine starke Umweltbelastung, und zum anderen galt es, den Wirkungsgrad eines Kraftwerks deutlich zu erhöhen. Dieser Wirkungsgrad definiert, wie viel eines eingesetzten Energieträgers prozentual in Strom und Wärme umgesetzt werden kann. Bei beiden Aspekten hat Erdgas in einer Anlage wie der GuD im Vergleich zur Kohle einfach die Nase vorn.

Zeitenwende nach der Kohle

Manfred Zacharias vor einer technischen Anlage in der GuD.

1993 kam dann also das Ende von über 100 Jahren Braunkohleverfeuerung und die Geburtsstunde der heutigen GuD. Ein Paradigmenwechsel. Denn mit dem Abschied von der Kohle war auch in Leipzig die Energie im Wandel und besagtes Erdgas wurde eingeführt – ein Energieträger, mit dem es aus DDR-Zeiten kaum Erfahrungen gab. „Bis zur Wende fuhr man ja tonnenweise Kohle ins Kraftwerk, um einer Turbine Dampf zuzuführen. Erdgas nutzte keiner.“ Diese Turbinen waren im Maschinenhaus im Dauerbetrieb und versorgten Leipziger Bürger und die Industrie mit Strom. „Vor 1989 liefen wir immer unter Volllast, jede Megawattstunde zählte, um vor allem die Industriebetriebe mit Energie zu versorgen.“ Doch nach der Wende brach das produzierende Gewerbe und somit ein größerer Teil des Energiebedarfs weg, und es wurde Zeit, sich auch beim Thema Energieerzeugung neu zu orientieren. Die GuD ist das Ergebnis dieser Neuorientierung – sie erzeugt mit zwei Gasturbinen und einer Dampfturbine elektrischen Strom und gibt die entstehende Abwärme über mehrere Kondensatoren als Fernwärme an die Leipziger weiter

Die Leipziger Energie im Wandel

Um die Anlagen im Leipziger Kraftwerk anzufahren, genügt heute eine Computermaus. In dem jüngst modernisierten Leitstand, der mit seinen zahllosen Bildschirmen optisch an die Kommando-Brücke von Raumschiff Enterprise erinnert, beobachten und steuern drei Mitarbeiter ständig den Betrieb. Wohlgemerkt: drei. Früher wurde jeder Turbine jeweils ein Maschinist zugeteilt und pro Schicht waren insgesamt 28 bis 30 Kollegen im Einsatz. Im Jahr 2019 haben dank der Digitalisierung ein Schichtführer und zwei Leitstandfahrer alles im Griff: sämtliche Turbinen und Abhitzekessel in der GuD sowie drei dezentrale Blockheizkraftwerke, das Heizwerk Nord und das Blockheizkraftwerk auf dem Standort. Der Leitstand ist dabei rund um die Uhr im Drei-Schicht-System besetzt. Neben der digitalen Steuerung ist die Möglichkeit der schnellen Regelung der Turbinen einer der größten Unterschiede zur früheren Erzeugung. Denn unter ständiger Volllast wie einst muss die GuD schon lange nicht mehr fahren. Ihre Energieerzeugung ist flexibel regelbar – je nachdem, was an Strom und Wärme in Leipzig und am Markt benötigt wird oder wie die Spannung im Netz ausgeglichen werden muss.

Echte Energieträger

In den kommenden Jahren steht die nächste Modernisierung der GuD-Anlage an, um sie fit für die nächsten 15 Jahre zu machen. „Und auch wenn heute vieles digital steuerbar ist, muss man eines klar sagen“, setzt Manfred Zacharias an: „Ohne Menschen keine Energieerzeugung und damit keine Versorgungssicherheit. Deshalb sind unsere Mitarbeiter auch eine Art Energieträger, die das alles erst möglich machen.“

Weitere Informationen rund um die GuD der Leipziger Stadtwerke finden sie im Blogbeitrag „Die normalste Sache der Welt“und hier.

Dieser Beitrag erschien im Leipziger Leben 03/2019.