Eine zweite Chance für unser Essen

von Leipziger Leben | 29.10.2019

In Leipzig retten private Initiativen Essen vor dem unnützen Verfall und geben ihm eine zweite Chance.

Zwei Personen schauen sich Obst an einem Stand auf dem Leipziger Markt an.

Heute bleibt unser Essen aus verschiedenen Gründen übrig. Unsere Überflussgesellschaft weiß nicht, wohin mit ihren Lebensmitteln. Rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland pro Jahr entsorgt. Davon fallen 61 Prozent auf private Haushalte, 5 Prozent auf den Handel sowie jeweils 17 Prozent auf Großverbraucher und Industrie. Klare Sache: Wir haben zu viel zu Essen. Restaurants, Märkte, Imbisse und Bäckereien produzieren und lagern oft mehr, als verbraucht werden kann. Das ist jedoch nicht immer böse Absicht der Betriebe, sondern ergibt sich auch aus logistischen Gründen der Vorhaltung und des Wareneinkaufs. Doch einige Personen, Initiativen und gar Geschäftsmodelle bieten eine Gegenstrategie an. Zu den bekanntesten Zweitverwertern von Lebensmitteln gehört der Verein Tafel Deutschland e.V., der Lebensmittelspenden und überschüssige Essenskontingente an Bedürftige verteilt. Doch es gibt auch noch andere, die aktiv sind.

Teilen und genießen

Unter anderem in Leipzig ist mittlerweile eine Initiative tätig, die sich Foodsharing nennt. Marie Beyer betreut als Administratorin eine Facebookseite in der Messestadt und ist bei foodsharing.de verantwortlich für Leipziger Betriebe und Händler, die etwas abzugeben haben. Sie erklärt das Prinzip: „Auf foodsharing.de können sich Betriebe registrieren, die mit Lebensmitteln zu tun haben und gelegentlich einen Überhang an Waren aufweisen, den sie nicht wegwerfen wollen. Foodsharing schickt geprüfte und registrierte Abholer, die diese Lebensmittel entgegennehmen und an soziale Einrichtungen, unsere Fairteiler-Fahrräder oder die Nachbarschaft übergeben.“ Die kleinen oder großen LebensmittelFair-Teilungen werden zumeist als Postings bei foodsharing.de bekannt gegeben oder die Abholer nutzen sie für den Eigenbedarf – Hauptsache das Essen wird nicht weggeworfen.

Genießbarkeit mit Günstiger-Garantie

Wer sich nicht auf virtuellen Portalen, sondern lieber in realen Geschäften bewegen möchte, kann auch Läden des Unternehmens „Im Angebot“ aufsuchen. Seit 1990 verkauft das Unternehmen im Raum Leipzig Lebensmittel an der Mindesthaltbarkeitsgrenze zu einem spürbar günstigeren Preis. Inzwischen führt es sechs Standorte, besitzt vier Filialen im Umland sowie in Leipzig jeweils einen Standort in der Eisenbahnstraße und in der Lützner Straße. Ein buchstäblich ausgezeichnetes Erfolgskonzept – schließlich erhielt das Unternehmen 2016 den Bundespreis „Zu gut für die Tonne“.

Vor der Tonne retten

Martin Adam steht hinter einem Tresen und reicht lächelnd eine Tasse über den Tresen.

Martin Adam rettet mit seinem Laden NIXTONNE das Brot vom Vortag.

Ein anderes Prinzip der nachhaltigen Lebensmittelverwertung verfolgt die Bäckerei NIXTONNE in Connewitz auf der Bornaischen Straße 50. Der Inhaber Martin Adam hatte die Idee, Backwaren von traditionellen Handwerksbäckereien, die vom Vortag übrig geblieben sind, in seinem Geschäft zum halben Preis zu verkaufen. Auch hier greift das Prinzip des gegenseitigen Interesses zwischen Anbieter und Abnehmer. Die Bäckereien können ihr nicht mehr ganz frisches Sortiment vom Vortag verkaufen, müssen nichts wegwerfen und streichen dabei noch einen kleinen Obolus ein. Martin Adam wiederum erfreut seine Kunden mit gutem Gebäck zum halben Preis. So haben alle etwas davon – und wieder wurden wertvolle Lebensmittel vor dem Verderben in der Tonne gerettet.

„Containern“ – Selbstversorgung am Rande der Legalität

Martin Adam holt ein Brot aus seiner Brot-Auslage.

Martin Adam in seinem Laden NIXTONNE.

Da nach Ablauf des MHD die Verantwortung vom Hersteller auf den Händler übergeht, wandern viele Lebensmittel bei Supermärkten auch heute noch in den „Container“. So nennt man den Abfallbehälter auf dem Gelände eines Markts oder einer Firma. Formal gehört der „Müll“ dem Geschäft, auf dessen Betriebsgelände er sich befindet. Wer sich Zutritt verschafft, macht sich daher strafbar. Das Bewusstsein beim Umgang mit Lebensmitteln befindet sich also in einem langsamen Wandel. Der Spagat zwischen Überproduktion und Übervorsichtigkeit auf der einen Seite sowie bewusstem Verbraucherverhalten auf der anderen ist groß. Doch wie bei vielen Dingen gilt: Der Anfang ist gemacht, um sinnvoller mit unseren Ressourcen umzugehen.

Auch der Leipziger Gruppe ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig – das können Sie beispielsweise dem Nachhaltigkeitsbericht der Leipziger Verkehrsbetriebe entnehmen.

Dieser Text erschien im Leipziger Leben 03/2018.

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