GuD in Orange: Leipziger Gruppe setzt ein Zeichen gegen Gewalt

von Simone Liss | 23.11.2021

Ob Stalking, Bedrohung oder sexueller Übergriff: Gewalt gegen Frauen hat viele Facetten. Am 25. November setzen deshalb Menschenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes oder Frauennetzwerke wie Zonta ein klares Zeichen – gegen Gewalt. 

Nahaufnahme des GuD (Gas- und Dampfturbinenkraftwerk) bei Nacht.

Wer glaubt, dass ein solcher Aktionstag im Jahr 2021 unnötig ist, täuscht sich. Laut Bundesfamilienministerium ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Betroffen sind Frauen aller sozialen Schichten.

Eine Muschel liegt im Strand.

Orange ist die Farbe des 25. Novembers.

Nach Angaben des Bundeskriminalamtes wurden 2019 insgesamt 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt (2018: 140.755). Knapp 115.000 Opfer waren weiblich. Die Statistik erfasste folgende versuchte oder vollendete Delikte gegen Frauen im Jahr 2019:

  • Vorsätzliche, einfache Körperverletzung: 69.012 Fälle
  • Gefährliche Körperverletzung: 11.991 Fälle
  • Bedrohung, Stalking, Nötigung: 28.906 Fälle
  • Freiheitsberaubung: 1514 Fälle
  • Mord und Totschlag: 301 Fälle

Eine, die den Tötungsversuch ihres Lebenspartners überlebt hat, ist die Aktivistin Svenja Beck. Der Selbsthilfegruppe der 38-jährigen Lohn- und Steuerfachfrau folgen inzwischen bundesweit rund 5.600 Frauen bei Facebook. „Es schockt mich jeden Tag aufs Neue, was ich da von anderen Betroffenen lese. Ich weiß ja, was sie durchmachen müssen“, sagte sie anlässlich der Kampagne Zonta Says NO. Immer beginne es „mit einer Art Mikrogewalt, kleinen gezielten Nadelstichen durch den Gewalttäter. Das Denken über einen selber wird ein anderes. Es kommt dazu, dass man sich immer kleiner und schlechter fühlt“, beschreibt Svenja Beck die „Gehirnwäsche“, die Betroffenen den Ausstieg aus einer toxischen Beziehung erschwere.

Gewalt ist keine Privatsache 

Weil Respekt, Wertschätzung und Chancengleichheit zentrale Werte der Leipziger Gruppe sind, engagiert sich der kommunale Unternehmensverbund für die Rechte von Frauen und setzt am 25. November – beim Orange Day – ein Zeichen gegen Gewalt, Ausgrenzung und Machtmissbrauch. „Vor dem Grundgesetz hat jeder Mensch – unabhängig vom Geschlecht – das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Trotzdem werden in Deutschland viele Frauen Tag für Tag beleidigt, belästigt, bedroht, geschlagen, vergewaltigt oder gar getötet. Das Ausmaß der Gewalt ist schockierend – und es will nicht zu dem Bild passen, das unsere Gesellschaft von sich selbst hat“, sagt Michael M. Theis, Sprecher der Leipziger Gruppe, zu der die Leipziger StadtwerkeVerkehrsbetriebe und Wasserwerke gehören.

In der Farbsymbolik steht Orange für Mut und Kraft. Die Farbe Orange steht symbolisch aber auch für Gewaltfreiheit – so sehen es die Vereinten Nationen, deren Vollversammlung vor mehr als 20 Jahren beschlossen hat, dass der 25. November der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen werden soll.

Das Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) aus der Vogelperspektive.

Das GuD wird am 25. November in Orange erstrahlen.

Die Leipziger Gruppe unterstützt – wie die Stadt Leipzig, die LWB, das Jobcenter und die Agentur für Arbeit – im Rahmen dieser UN-Kampagne die Aktion „orange your city“ und lässt am 25. November ab 17 Uhr die Fassade des Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) in der Eutritzscher Straße in Orange leuchten. Organisiert wird die Aktion „orange your city“ vom Zonta Club Leipzig Elster mit Unterstützung der Clubs ZC Leipzig und Soroptimist Leipzig. „Wir solidarisieren uns mit allen Opfern von Gewalt und sagen ganz klar: Gewalt ist keine Privatsache, sondern trifft uns alle. Jeder, der sich gegen Gewalt stark macht, ist Teil der Lösung von Missständen und Machtstrukturen“, sagt Michael M. Theis.

Hilfe für Frauen und Familien in Leipzig

Viola Butzlaff betreut in Leipzig den Frauennotruf. Die Hilfsangebote der Sozialarbeiterin richten sich nicht nur an von Gewalt betroffene Frauen, sondern auch an Jugendliche, Kinder und Ratsuchende, die von Gewalt in Familien erfahren. Auch ihre Kollegin Lara Männig von der Leipziger Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking – kurz KIS – macht sich für das Thema stark. Es gehe darum, ein Bewusstsein zu entwickeln für die Alltäglichkeit solcher Taten und seinem Gefühl zu vertrauen, wenn sich etwas merkwürdig anfühle. Rund 800 Menschen kann das KIS-Team pro Jahr helfen. Auch für sie setzen am 25. November viele Leipziger ein Zeichen gegen Gewalt – so organisiert der Verein Frauen für Frauen um 16 Uhr eine Kundgebung auf dem Burgplatz und die Stadtbibliothek um 18.30 Uhr eine Lesung zu Femiziden – der gezielten Tötung von Frauen.

Respekt und Fairness sind gefragt

„Wir alle tragen Verantwortung für das gerechte Zusammenleben von Menschen aller Geschlechter. Solidarität ist keine Frage des Mitleids, sondern eine Frage der Verantwortung und des Teilens. Die Leipziger Gruppe teilt die Idee von Chancengleichheit, Teilhabe, Inklusion und Gewaltfreiheit. Mit dem Verständnis für diese Werte arbeiten wir zusammen und wollen unseren Beitrag leisten, diese Werte zu stärken“, sagt Doreen Rödel, Beauftragte für Chancengleichheit der Leipziger Gruppe. „Wir akzeptieren nur ein respektvolles und faires Miteinander. Wir möchten Talente fördern, Menschen befähigen und dazu motivieren, offen und mutig zu sein. Dafür erschaffen wir ein vorurteilsfreies Umfeld.“

Steine mit einer leichten Orange-Färbung

Gewalt gegen Frauen muss thematisiert werden.

Ein klares Statement. Mehr davon erhofft sich Monika Schröttle, Leiterin der Forschungs- und Beobachtungsstelle Geschlecht, Gewalt, Menschenrechte (FOBES) am Institut für Empirische Soziologie Nürnberg. Nach 40 Jahren intensiver Aktivität der Frauenbewegung und trotz vieler Fortschritte in der Bekämpfung häuslicher und geschlechterspezifischer Gewalt, gäbe es in Deutschland noch immer keinen nennenswerten Rückgang von Gewalt gegen Frauen. Im Gegenteil: In Sachen Femizide behauptet Deutschland im Hinblick auf die absoluten Zahlen im europäischen Vergleich eine traurige Spitzenposition. Mindestens das Zwei- bis Dreifache an Geldern sei für ein engmaschiges, flächendeckendes Beratungs- und Hilfesystem in die Hand zu nehmen, um eine adäquate Versorgung zu erreichen. Dafür plädieren auch Viola Butzlaff und Lara Männig aus Leipzig: Die Leitungen von KIS und des Frauennotrufs seien seit Jahren überlastet – viele Frauen müssten sie ablehnen oder schneller beraten als notwendig wäre.

Frauen helfen Frauen: Der Zonta Club Leipzig Elster unterstützt Frauen und Mädchen vor Ort. Infos: https://www.zonta-leipzig-elster.de/

Unter dem #schweigenbrechen hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen unter der Nummer 08000 116 016 geschaltet. Weitere Infos: https://www.hilfetelefon.de/kampagnen-aktionen/aktionen/schweigen-brechen.html

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