„Inklusive Führung“, sagt Michael M. Theis, „trägt wesentlich dazu bei, dass nicht nur schwerbehinderte oder gleichgestellte Mitarbeiter, sondern alle behinderten Menschen im Unternehmen volle Leistung bringen und damit ihren maximalen Beitrag zum Gesamtergebnis leisten.“ Dem Manager liegen die Themen Vielfalt und Inklusion beruflich wie persönlich am Herzen – für Theis sind sie Zukunftsthemen. Nur wer offen, fair und sozial ist, werde sich als Arbeitgeber und im Ringen um Fachkräfte behaupten.
„Unser Ansatz in der Leipziger Gruppe konzentriert sich grundsätzlich auf die Ressourcen – also die Kompetenzen, die Qualifikationen und Stärken einer Person. Ich hatte mal ein Vorstellungsgespräch mit einem Rollstuhlfahrer. Der hat gesagt: ,Ich habe schon Probleme gelöst, die Sie überhaupt nicht kennen‘. Er hat seine Problemlösungskompetenz, seine Fähigkeit im Umgang mit Enttäuschungen und Nicht-Können in den Mittelpunkt gestellt. Das hat mir gezeigt: Wenn wir auf den Bedarf gucken, den jemand hat, damit sie oder er ihre oder seine Fähigkeit einbringen kann, profitieren wir von Vielfalt“, so Frank Pertzsch und erinnert an eine Rede von Richard von Weizsäcker (1920-2015).
„Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann. Es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für das Menschsein. Manche Menschen sind blind oder taub, andere haben Lernschwierigkeiten, eine geistige oder körperliche Behinderung – aber es gibt auch Menschen ohne Humor, ewige Pessimisten, unsoziale oder sogar gewalttätige Männer und Frauen. Dass Behinderung nur als Verschiedenheit aufgefasst wird, das ist ein Ziel, um das es uns gehen muss. In der Wirklichkeit freilich ist Behinderung nach wie vor die Art von Verschiedenheit, die benachteiligt, ja die bestraft wird. Es ist eine schwere, aber notwendige, eine gemeinsame Aufgabe für uns alle, diese Benachteiligung zu überwinden“, sagte der ehemalige Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1993.
Fachkräftemangel aus einem anderen Blickwinkel betrachtet
Die Realität ist fast 30 Jahre nach Weizsäckers Rede ernüchternd: Beschäftigung von Menschen mit Behinderung hinkt in Sachsen im bundesweiten Vergleich hinterher. Es gebe noch Luft nach oben, konstatierte der Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Klaus-Peter Hansen, Ende Mai. „Die Integration von schwerbehinderten Menschen bietet viele Chancen“, betonte er. Sie seien überdurchschnittlich gut qualifiziert und könnten mit geeigneten Arbeitshilfen, die Arbeitsagenturen und Integrationsämter finanzierten, hundert Prozent Leistung erbringen. „Sie sind oft die Fachkräfte, die händeringend gesucht werden.“
2020 hatten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit mehr als 58.000 Menschen mit Behinderungen einen sozialversicherungspflichtigen Job in Sachsen. Das seien gut 6200 mehr als noch 2015, hieß es. Betriebe ab einer Größe von mindestens 20 Beschäftigten sind verpflichtet, fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Dem kommen aber nicht alle Unternehmen nach. Die Quote liege in dieser Gruppe nur bei 4,1 Prozent und damit niedriger als im Bundesvergleich (4,6 Prozent), so die Regionaldirektion.