Ratten – unsere (un)bekannten Mitbewohner
Überall, wo es menschliche Ansiedlungen gibt, sind Ratten eine normale Begleiterscheinung. In Parks, an Flüssen oder in alten Hausruinen finden sie Unterschlupf. Auch die Kanäle unter den Straßen sind perfekte Verstecke für die Nager. Sie nutzen sie als Tunnelsysteme, um von A nach B zu gelangen, oder als zwischenzeitlichen Lebensraum für sich und die Nachkommen. In erster Linie sind Kanäle aber aufgrund des Nahrungsangebots spannend.
Menschengemachtes Problem

„Nicht jede Ratte, die in der Stadt gesichtet wird, kommt per se aus dem Kanal“, sagt Sven Lietzmann. Er ist Teamleiter für das Anlagen- und Kanalnetzmanagment bei den Leipziger Wasserwerken. „Dass sich Ratten in den Städten ansiedeln, liegt vor allem an den Menschen. Die Tiere fühlen sich nämlich überall dort wohl, wo sie Rückzug und vor allem ausreichend Nahrung finden.“ Das kann der Komposthaufen im Garten sein, das achtlos weggeworfene Pausenbrot im Gebüsch oder die Schüssel Katzenfutter im Hinterhof, die die Allesfresser anziehen. Auch im Kanal landen Dinge, die Ratten verführerisch finden. „Noch viel zu häufig werden Essensreste über die Toilette entsorgt – die Tiere finden im Kanal einen gedeckten Tisch. Hat der Vorkoster erst einmal eine Nahrungsquelle ausgemacht, markiert er den Weg, so dass auch andere Tiere hinfinden“, sagt Sven Lietzmann. Heißt: Wo Ratten einmal Nahrungsreste aus einem Hausanschluss im Kanal vorfinden, dorthin kehren sie in der Regel wieder zurück.
Kein Rattenproblem, aber Sichtungen von Zeit zu Zeit

Die Leipziger Wasserwerke zählen jedes Jahr konstant etwa 50 Rattenmeldungen, die von den eigenen Fachleuten durch Kanalbegehungen oder Kamerabefahrungen registriert werden oder durch Bürger in der zentralen Leitwarte eingehen. „Wir fahren dann zunächst vor Ort und verschaffen uns ein Bild. Sofern es sinnvoll ist, verschließen wir Rückzugsorte und legen in der Kanalisation Rattenköder aus, weil sie dort für Menschen nicht zugänglich sind“, beschreibt Sven Lietzmann.
Ratten in Schach zu halten, das machen die Leipziger Wasserwerke schon allein aus Eigeninteresse: „Auch in unserem Anlagenbestand können Ratten für Schäden sorgen, wenn sie Leitungen zum Beispiel unterwühlen.“ Oftmals geschieht die im Verborgenen und wird erst bei Sanierungen bemerkt oder wenn der Untergrund nachgibt. Hinzu kommt, dass Ratten meist nicht als ästhetisch empfunden werden und über Kot oder Urin auch Krankheiten übertragen könnten.

Auch das Wetter kann das Gedeihen einer Rattenpopulation begünstigen. Regnet es zum Beispiel über einen längeren Zeitraum nicht, bleiben die Rückzugsorte in und außerhalb der Kanalisation trocken. Über das Jahr reguliert sich der Bestand – insbesondere, wenn bei starken Regen der gesamte Kanal geflutet wird.
Jeder kann mithelfen
Dennoch ist Rattenbekämpfung eine Daueraufgabe, weil sich die Nager rasch vermehren. Die übliche Wanderrate reproduziert sich mehrmals im Jahr. Nach einer Tragzeit von 20 bis 25 Tagen können auch schon einmal 20 Junge geboren werden. Junge Wanderraten sind mit etwa 22 Tagen wiederum entwöhnt und verlassen ihr Nest; nach zwei bis drei Monaten sind sie geschlechtsreif.

Was also tun bei einer Rattensichtung? „Gern die Leitwarte der Wasserwerke informieren“, rät Sven Lietzmann. „Und das eigene Verhalten überprüfen.“ Grundsätzlich sollte man Speisereste nicht einfach in die Natur werfen oder in der Toilette herunterspülen. „Da kann jeder sofort mithelfen.“