Vom Sehen und Gehen
Menschen wie Rosemarie Weber nutzen den Begleitservice der Leipziger Verkehrsbetriebe, der den Alltag hilfsbedürftiger Menschen erleichtert.

Rosemarie Weber ist vollblind und sehr schnell im Kopf. „Mit viel Fingerspitzengefühl“, antwortet sie auf die Frage, wie sie ihren Alltag bewältige. „Ich sehe seit meiner frühen Kindheit nichts mehr, da man damals eine Krankheit zu spät erkannte.“ Lang habe sie aber am normalen beruflichen Leben teilgenommen. Erst hat sie die Blindenschule Königswusterhausen besucht, dann eine Ausbildung zur Facharbeiterin in Schreibtechnik gemacht und danach als flink und fehlerlos tippende Sekretärin nach Diktat für die LPG-Pflanzenproduktion Großnaundorf gearbeitet, bis die Liebe sie 1992 nach Leipzig führte.
Auf dem fliegenden Teppich
Rosemarie Weber ist agil und hat immer mal wieder Termine in der Stadt zu erledigen. Arztbesuche oder wöchentlicher Sport beim Yoga oder im Fitness-Studio. Für diese Wege nimmt sie den Begleitservice der Leipziger Verkehrsbetriebe in Anspruch, der seit zehn Jahren in Leipzig aktiv ist. Das Projekt wird gefördert durch das Jobcenter Leipzig und hilft Menschen bei der Qualifizierung für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. An diesem Tag greifen ihr Petra Rothe und Frank Riehl unter die Arme. „Ich finde mich in meinem Heimatviertel Eutritzsch gut zurecht. Aber längere Wege könnte ich ohne fremde Hilfe nur schwer oder auf dem fliegenden Teppich bewältigen.“ Die Frau hat Humor.
Die sprechende Bluse
Die Wege der Kommunikation geht sie jedoch komplett selbstständig. Die 6-Punkte-Braille-Schrift auf der Tastatur ihres PC und eine entsprechende Software zum Vorlesen von Texten in E-Mails und auf Websites ermöglichen ihr die normale Nutzung moderner Medien. „Ich kann mit dem Internet umgehen und auch E-Mails lesen und schreiben.“ Doch der Technik nicht genug – sie zeigt auf ein Gerät, das wie ein Scanner aussieht und an ihrer Bluse befestigt ist. Aus dem Gerät schnarrt eine Ansage: „Hellgrün!“ Es erkennt Farben, wenn es Weber einmal darauf ankommt. „Damit weiß ich immer, ob ich gut angezogen bin“, sagt sie und greift dabei sicher nach ihrer Tasse Kaffee.
Viel Zeit bleibt nicht mehr. Die blinde Leipzigerin hat an diesem Tag noch einen weiteren Termin abzuhaken, und die Kollegen des Begleitdienstes der Verkehrsbetriebe schauen auf die Uhrzeit. Wie Weber nutzen viele Bürger diesen kostenlosen Service, wenn ein Handicap oder eine körperliche Beeinträchtigung die Fortbewegung erschwert. Mehrere Teams mit jeweils zwei Personen sind immer in Bereitschaft, holen Leipziger zuhause ab, bringen sie zu Terminen und anschließend wieder bis vor die eigene Türschwelle. Mit Freundlichkeit, Zuverlässigkeit – und ohne fliegenden Teppich.
Dieser Beitrag erschien im Bürgermagazin Leipziger Leben 03/2016. Die ganze Ausgabe können sie unter www.L.de als pdf. bequem nachlesen.
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