Warum steigen die Energiepreise? Unser Experte erklärt die Preisentwicklung
Die Energiepreise steigen – und das liegt laut Experten vor allem am Gas. Der Großhandelspreis von Erdgas hat sich seit Beginn des Jahres um rund 440 Prozent erhöht. In Deutschland ist Strom an der Börse seit Januar rund 140 Prozent teurer geworden. Damit wird Energie auch für Endverbraucher teurer, wenn auch nicht so dramatisch. Unser Experte Jens Teresniak, Abteilungsleiter Energiewirtschaft bei den Leipziger Stadtwerken, erklärt die Hintergründe der Preisentwicklung und der Preisanpassungen, die alle Versorger jetzt vornehmen müssen.
Warum steigen aktuell bundesweit die Preise für Strom und Gas?

Jens Teresniak: Die Energiepreise sind in den vergangenen Wochen überall auf der Welt sehr stark angestiegen. Die Gaspreise haben sich auf ein historisch einmaliges Niveau vervielfacht, aber auch Steinkohle und CO2-Zertifikate sind teurer als jemals zuvor. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Eine große Rolle dürfte die Corona-Pandemie spielen, die im vergangenen Jahr für einen deutlichen Nachfragerückgang sorgte. Dadurch brachen die Preise ein: So sank im Frühjahr 2020 zum Beispiel der Ölpreis zum ersten Mal in der mehr als einhundertjährigen Geschichte des internationalen Ölhandels kurzzeitig in den negativen Bereich. Dieser plötzliche Preissturz sorgte dafür, dass viele Energieproduzenten ihre Fördermengen deutlich reduzierten und teilweise sogar Fördereinrichtungen dauerhaft stilllegten. Als die Nachfrage sich dann plötzlich stärker als erwartet wieder erholte, konnte das Angebot für Kohle, Gas und Öl nicht schnell genug wieder hochgefahren werden und es kam zu Engpässen. Zusätzlich verstärkt wurde diese Knappheit durch einen – in weiten Teilen der Welt – kalten Winter sowie ungewöhnlich viele Angebotsausfälle in Folge von Überschwemmungen, Hurrikans, Erdbeben, Dürren, Explosionen und Havarien.
Der Rohstoffpreis für Gas ist weltweit gestiegen. Welche Gründe stecken dahinter?
In den vergangenen Wochen spitzte sich die Lage weltweit zu. Vor allem der Energiehunger der boomenden chinesischen Volkswirtschaft kann kaum noch gestillt werden, weswegen es dort zuletzt immer häufiger zu Zwangsabschaltungen großer Industriebetriebe kam. In seiner Verzweiflung ist China bereit, für Kohle und verflüssigtes Erdgas (LNG) sprichwörtlich jeden Preis zu bezahlen. Im Ergebnis dessen werden ursprünglich für Europa bestimmte LNG-Tanker nach Asien umgeleitet und verschärfen die auch in Europa immer akuter werdende Knappheit, denn unmittelbar vor Beginn der Heizperiode sind die europäischen Gasspeicher so leer wie noch nie zuvor um diese Jahreszeit. All das hat zur Folge, dass auch in Europa inzwischen einige Großverbraucher ihre Produktion drosseln oder gar einstellen mussten, so zum Beispiel der größte deutsche Ammoniak-Produzent in Piesteritz (Sachsen-Anhalt).
Welche Auswirkungen haben die Gaspreise auf die Strompreise?
In Folge der galoppierenden Brennstoffpreise erhöhten sich auch die Produktionskosten der hiesigen Kraftwerke, so dass auch die Großhandelspreise für Strom in bis dato unbekannte Höhen kletterten. Wenn Gas teurer wird, wird logischerweise auch die Stromerzeugung mit Gas in Gaskraftwerken teurer. Erschwerend hinzu kommt hier der Umstand, dass 2021 bislang ein ungewöhnlich schwaches Windjahr ist. Trotz des anhaltenden Zubaus an Windrädern sank die Erzeugung der deutschen Windkraftanlagen in den ersten zehn Monaten im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 16 Milliarden Kilowattstunden beziehungsweise 15 Prozent. Ein Trostpflaster für Endkunden ist in der gegenwärtigen Hochpreisphase die EEG-Umlage. Diese wird im kommenden Jahr stark sinken, weil die erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen wegen der höheren Strompreise weniger oder zum Teil gar keine Förderung mehr erhalten.
Was können wir in Leipzig dafür tun, damit die Energiepreise stabiler für uns bleiben?
Wir als Leipziger Stadtwerke sehen uns durch die aktuell hohen Großhandelspreise in unserer Strategie bestärkt, uns schrittweise von den fossilen Energieträgern abzukehren. Damit wollen wir neben der positiven Wirkung im Kampf gegen die Klimakrise auch die unkalkulierbaren Preisrisiken der Brennstoffe und CO2-Zertifikate verringern. Schon heute entfalten Windräder und Photovoltaikanlagen an der Strombörse eine preisdämpfende Wirkung und drängen vergleichsweise teurere fossile Kraftwerke immer häufiger aus dem Markt. Ein Effekt, den auch die Leipziger Stadtwerke mit ihren hohen Investitionen in Windkraft und Photovoltaik stützen und der letztlich auch den Leipziger Kunden zu Gute kommt.
Welche Rolle spielen die immer teurer werdenden CO2-Zertifikate dabei?
Unser Ziel ist es, insbesondere im Wärmemarkt unseren CO2-Fußabdruck und damit auch die Kosten für CO2-Zertifikate rasch zu senken. Der Ersatz der Wärme aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf durch wesentlich klimafreundlichere Fernwärme aus unserem neuen Heizkraftwerk Leipzig Süd ist dabei nur ein erster Meilenstein. Der Bau der größten Solarthermieanlage Deutschlands im Südwesten der Stadt ist bereits beschlossen. Das mittel- bis langfristige Ziel ist aber eine vollständig CO2-freie, und dennoch bezahlbare, Leipziger Energieversorgung. Hierfür prüfen wir gerade sehr intensiv verschiedene Optionen.