Not-Auslässe schützen bei Starkregen Klärwerke und Grundstücke

von Katja Gläß | 05.08.2019

Leipzigs Kanalnetz verfügt über besondere Not-Auslässe bei Starkregen: Denn anders als das Trinkwassernetz ist die Kanalisation kein geschlossenes System.

Aus zwei Kanalöffnungen fließt Wasser heraus.
Am Kanalausgang ist eine große schwarze Rückstauklappe zu sehen.

Bei Starkregen öffnet das aus dem Kanal kommende Wasser die Rückstauklappe und das Wasser kann aus dem Kanal entweichen.

Insbesondere im Fall starker Niederschläge ist es wichtig, an geeigneten Punkten „Öffnungen“ im System vorzuhalten, durch die das Wasser entweichen kann.

Im knapp 3.000 Kilometer langen Kanalsystem unter Leipzigs Straßen gibt es etwa 90 dieser Mischwasser-Auslässe. Sie liegen an Gräben oder Fließgewässern. In der Regel verfügen sie über Siebe oder Rechen, welche bei einer Notentlastung die gröbsten Inhaltsstoffe des stark verdünnten Mischwassers zurückhalten sollen.

Begrenzte Kanalkapazitäten bei Starkregen

Eine Kanalisation ist für bestimmte Abwassermengen berechnet. Das schließt die Ableitung von einem normalen Regen mit ein. „Für Wassermassen, wie sie in kürzester Zeit bei einem extremen Regen anfallen, ist keine Kanalisation weltweit ausgelegt – dafür müsste man riesige Kanäle in der Erde verbauen, was wirtschaftlich und für den Betrieb nicht sinnvoll ist“, sagt Mathias Wiemann, der mit seinen Mitarbeitern bei den Leipziger Wasserwerken die Trink- und Abwassernetze betreut. Ereignet sich also ein Starkregen, füllen sich die Kapazitäten in der Kanalisation rasend schnell. Sind eigens angelegte Rückhaltebecken und Staukanäle ausgereizt, fließt das stark verdünnte Mischwasser über die Einleitstellen aus dem System. „Würde es diese Not-Auslässe bei Starkregen nicht geben, würde sich das Wasser seinen Weg suchen – in die Klärwerke oder zurück auf die Straßen und in die Grundstücke und Keller“, betont Wiemann. Entlastungen seien damit ein aktiver und auch von der Stadt genehmigter Schutz der Bürger.

Schutz des Klärwerks

In der biologischen Reinigungsstufe arbeiten Mikroorganismen an der Reinigung des Abwassers. Mitarbeiter im Klärwerk überwachen stetig die Menge des einlaufenden Abwassers und dessen Inhaltsstoffe. „Würde im Fall von Starkregen das verdünnte Mischwasser ungebremst ins Klärwerk strömen, würde sich mit einem Schlag die Konzentration in unseren Becken verändern und die Bakterien und damit die Reinigungsleistung völlig aus dem Gleichgewicht bringen. Von möglichen Schäden an unserer Technik durch eine mögliche Flutwelle ganz zu schweigen“, sagt Daniel Jentzsch, Leiter von Leipzigs größtem Klärwerk im Rosental. „Der Neu-Aufbau der Biomasse würde Wochen oder Monate dauern. An einen Normalbetrieb des Klärwerks wäre nicht zu denken“, sagt Jentzsch.

Aufräumen nach der Not-Entlastung

Nach jedem Starkregen befreien Mitarbeiter der Wasserwerke oder des Amtes für Stadtgrün und Gewässer das Umfeld der Not-Auslässe von Verschmutzungen. „Leider landen viele Dinge an den Flussrändern, die gar nicht in die Toilette gehören – Hygieneartikel, Kondome oder Feuchttücher haben nichts in der Toilette zu suchen“, sagt Kanalexperte Sven Lietzmann. Das sorgt übrigens auch im Kanal für Schwierigkeiten. „Diese Stoffe verklumpen zu großen Zöpfen und legen dann die Pumpen im Kanalsystem lahm. Ein riesiger Reparaturaufwand für uns – und eigentlich leicht zu vermeiden durch die Bürger.“

Unterirdischer Stauraum bei Starkregen

Ein Arbeiter sitzt am Eingang des Notausgusses eines Stauraumkanals.

Bei Starkregen wird hier Mischwasser zwischengelagert und erst später kontrolliert zum Klärwerk Rosental abgeleitet.

Um Einleitungen im Fall von Starkregen zu minimieren, haben die Leipziger Wasserwerke in den vergangenen Jahren bereits zusätzlichen Stauraum in der Kanalisation geschaffen. In einem riesigen Stauraumkanal an der B2 kann so beispielsweise Regenwasser zwischengespeichert werden. Sobald wieder Behandlungskapazität im Klärwerk vorhanden ist, wird das Mischwasser kontrolliert abgeleitet.

Auch die in der Kanalisation verbauten Steuerbauwerke halten Mischwasser bei Bedarf zurück. Das können bis zu 40.000 Kubikmeter sein – das entspricht etwa 330.000 Badewannen voll Wasser. „In den letzten 25 Jahren ist bereits extrem viel geschehen. Wir werden in den nächsten Jahren weiter Stauraum schaffen und so Einleitungen weiter reduzieren. Ganz ohne Not-Auslässe werden wir bei Starkregen aber sicher nie auskommen“, betont Wiemann.

Der Notausguss des Steuerbauwerks.

Blick ins Steuerbauwerk: Kann das Wasser bei Regen nicht mehr im Kanal gespeichert werden, fließt das Wasser über die Scheibenrechen im Steuerbauwerk ab ins Gewässer.

Das könnte auch interessant sein

nach oben